Dass Yoga nicht nur orientalische Gymnastik ist, sondern auch etwas mit Selbsterkenntnis und dem Weg in die Stille zu tun hat, ist allgemein bekannt, auch wenn es nicht immer so weitergegeben wird.
Doch wo ist die Grenze zwischen einem Yoga, bei dem es „nur“ um körperliche Fitness, Beweglichkeit & Kraft geht, und einem „Yoga mit Tiefgang“, bei dem die Verbindung zwischen Atem, Körper und Geist oder der Weg zu innerem Frieden im Vordergrund steht?
Die Grenze ist natürlich fließend und die eigene Praxis kann auch mehreren Zwecken dienen. Die Erfahrung von einer sehr tiefen Entspannung können Menschen mit etwas Glück in der ersten Yoga-Stunde machen. Für andere ist die Erkenntnis, dass man sich auch ohne Wettbewerb mit seinen Grenzen auseinandersetzt, eine äußerst tiefgreifende Erfahrung, die sie vom Yoga-Pfad nicht mehr loslässt.
Oft ist es schwierig, die Kraft solcher „Initiationserlebnisse“ über längere Zeit aufrecht zu erhalten. Man kommt im Gruppenunterricht schnell in eine Routine, bei der man sich an die Rahmenbedingungen gewöhnt hat und ansonsten versucht, seine Schwachstellen zu pflegen, sich von einer Haltung zur nächsten zu bewegen und gibt sich damit zufrieden, dass Yoga Wohlgefühl erzeugt und den Alltagsstress für einige Stunden zurückdrängt.
Doch Yoga ist mehr als das. Um das zu erfahren, ist für die meisten Menschen eigenes Üben erforderlich. Und selbst für Leute, die für sich üben, ist es ratsam, sich immer wieder die Frage zu stellen, warum man Yoga übt und ob die Art und Weise des Übens sie mehr in Kontakt bringt mit sich selbst.
Meine Empfehlung lautet, nicht nur im Kurs zu üben, sondern darüber hinaus zwei bis vier mal die Woche einige Übungen durchzuführen. Klar ist es angenehmer, sich vom Lehrer berieseln und führen zu lassen, doch aus der Verantwortung die Du übernimmst, wenn du Dinge ausprobierst, entwickelst Du auch eine besondere Kraft, die Dir die Gruppe nicht geben kann. Gelegentlicher Einzelunterricht ist eine gute Möglichkeit, um eine für Dich passende Übungsabfolge zu entwickeln. Sie kann den Gruppenunterricht ergänzen oder ersetzen. Zwischen den Einheiten im Abstand von mehreren Wochen bist Du dann mit den Übungen auf Dich allein gestellt und erfährst Dich im Üben mit Sicherheit anders als in einer geführten Stunde. Und wer’s noch nicht weiß: Gruppen-Unterricht ist eine moderne Erfindung des westlichen Yoga.
Ich will die körperlichen und emotionalen Ziele für die Yoga-Praxis keineswegs abwerten, mir scheint es nur wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Stärke des Yoga darin liegt, dass er dich bis an den Kern Deiner Essenz führen kann. Wenn Dir das ein Anliegen ist, dann mach Dich auf den Weg.